Weingut Graf Neipperg, Schwaigern (Württemberg)
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Besuch beim Hochadel des Lembergers
Ob das Haus Neipperg im 18. Jahrhundert tatsächlich den Lemberger von Österreich nach Württemberg gebracht hat, ist letztlich nicht nachweisbar. Die Verbindungen der Grafen Neipperg zum Haus Habsburg und die heute spürbare urwüchsige Kraft der Neipperg-Lemberger sprechen ohne Zweifel dafür, dass bei Graf Neipperg die Erfolgsgeschichte des deutschen Lembergers beginnt.
Das Haus Neipperg betreibt seit 750 Jahren Weinbau. Heute bewirtschaftet der VDP-Betrieb etwa 30 Hektar Rebflächen in den Spitzenlagen Neipperger Schlossberg, Schwaigerner Ruthe, Klingenberger Schlossberg und Dürrenzimmerrer Mönchsberg. Die ersten drei Lagen sind im Alleinbesitz des Grafen Neipperg. In den letzten Jahren trumpfte Graf Neipperg immer stärker mit exzellenten Lembergern auf, die im deutschen Spitzenfeld zu finden waren.
Der „Tag der offenen Kellertür“ bot im November 2023 die Möglichkeit, die aktuelle Kollektion im Schwaigerner Schloss zu verkosten. Die gewaltige Schlossanlage mit dem historischen Keller und der sehenswerten Eingangshalle boten ein stimmiges Ambiente für die Veranstaltung.
- Riesling
Nach einem feinperligen Begrüßungs-Sekt zeigten die 2022er Guts- und Orts-Rieslinge und der 1.- Lage-Riesling aus dem Klingenberger Schlossberg eine gut strukturierte Basisqualität. Bei den Riesling-GGs wurden zum Vergleich ein aktueller und ein gereifter Jahrgang der Spitzenlagen angestellt. Der Schlossberg aus 2022 ist noch sehr verschlossen. Seine Entwicklung ist schwer zu beurteilen. Der 2016er hat keinerlei Alterungsnoten, ist mit seiner schönen Frucht, weißen Blüten und der Ausgewogenheit bereits deutlich harmonischer. Klarer Sieger bei den Rieslingen ist die Schwaigener Ruthe. Der 2021er zeigt sich noch jung mit feinen Citrus-Noten. Das 2016er GG hält komplexe, exotische Frucht bereit. Eingefasst in eine tiefe Mineralität und eine reife Säure ergibt sich ein harmonisches, hochwertiges GG. Ein eigenständiges Aushängeschild für württembergischen Riesling.
- Bouquet-Weine
Graf Neipperg hat eine Reihe trockener und süßer Bouquet-Weine aus den Rebsorten Sauvignon Blanc, Muskateller und Gewürztraminer im Angebot. Besonders zu erwähnen sind zwei edelsüße Auslesen. Die aktuelle 2022er Muskateller-Auslese hat eine edle Süße kombiniert mit einem bunten Früchtekorb und langem Nachhall. Auch die elegant gereifte 2016er Traminer-Auslese zeigt eine wunderbare Traminer-Note mit Rosen- und Frucht-Akzenten.
- Weißburgunder und Rosé
Bei den Weißburgundern folgen dem soliden Gutswein und dem frischen Ortswein ein 2022er GG aus dem Schlossberg. Ein Weißburgunder mit Tiefe und dichter Struktur. Noten nach gelben Früchten, Honigmelone und etwas Vanille.
Unter den Rosé-Weinen ragt der Kapellenberg-Rosé hervor. Kein zarter Terrassen-Rosé, sondern ein kräftiger „Ganzjahres-Rosé“ mit Dichte und straffer Struktur. Ein idealer Begleiter zu einem saftigen Steak.
- Spätburgunder
Im Schatten des Lembergers haben in den letzten Jahren die Spätburgunder bei Graf Neipperg stetig an Format gewonnen. Der 2020er Gutswein und der 2021er Neipperger Ortswein sind eine gute Basis für die höheren Qualitäten. Der bestens gereifte 2016er Neipperger Ortswein überzeugt durch seine Harmonie.
Beim 2021er Spätburgunder GG aus dem Schlossberg trifft man bereits auf Dichte und Würze. Insgesamt erscheint der Burgunder noch sehr jung, offenbart aber sein Entwicklungspotenzial. Anklänge von Tabak und kühler Frucht. Der 2014er aus dem Schlossberg hat die nötige Reife. Er ist von einem Säure-Nerv und sanften Paprika-Noten durchzogen. Der Spätburgunder zeigt einen packenden Grip.
Aktuell empfehlenswert ist bei den Spätburgundern das 2020er GG aus der Ruthe. Dunkle Würze, noch spürbare Tannine und Aromen nach Waldbeeren vereinen sich zu einem kraftvollen Spätburgunder. Wenn man so will, ein Spätburgunder nach Lemberger-Art.
- Lemberger und internationale Rebsorten
In der Paradedisziplin Lemberger, die immerhin ein Drittel der Neipperger Rebfläche ausmacht, sind schon die Guts- und Ortsweine von starker Qualität. Der 2020er Gutswein bietet einen soliden Einstieg mit schöner Frucht. Bei den Ortsweinen hat der 2018er Schwaigerner Lemberger mit kräutrigen Aromen leicht die Nase vorn im Vergleich zum 2019er Neipperger Lemberger mit griffiger Tannin-Struktur.
Nach höheren Weihen strebt der 2018er Lagen-Lemberger aus dem Dürrenzimmerrer Mönchsberg. Ausgeprägte Fruchtaromen nach roten Beeren und Kirschen, die gute Struktur und ein harmonischer Gesamteindruck machen den Mönchsberg zu einem bezahlbaren Lagen-Lemberger.
Großes Kino folgt bei den Lemberger-GGs. Der 2021er Schlossberg kann sein Potenzial aktuell nur andeuten. Sehr jung in seiner Entwicklung zeigt er eine schöne Tannin-Struktur und wunderbare Mineralität. Weiter finden sich Aromen nach Kirsche, Schokolade und Pfeffer. Aktuell im Vorteil ist das 2020er GG aus der Ruthe. Tief gewobene Grundstruktur, eingebundene Tannine, dunkle Waldbeeren, Brombeeren und etwas Rauch bündeln sich zu einem tiefgründigen Pracht-Lemberger. Die Ruthe gehört 2020 sicher zu den Spitzen-Lembergern in Deutschland.
Bei den internationalen Sorten der S.E.-Linie konkurrieren die 2019er Merlot, Syrah und Cabernet Sauvignon um die Pool-Position. Der Merlot ist eine ungemein dichte, aber nicht überladene Wuchtbrumme. Der violette Syrah brilliert mit intensiver Kirsch-Frucht, geschmeidigen Gerbstoffen und Gewürz-Noten. Ganz leicht die Nase vorn hat aktuell der Cabernet Sauvignon mit seiner unheimlichen Dichte, der Ausgewogenheit, der feinen Struktur und den milden Pfeffer-Aromen. Alle drei Weine der S.E.-Linie haben herausragendes Niveau.
Das vielseitige Sortiment von Graf Neipperg zeigt ein hervorragendes Niveau. Vorteile haben traditionell die Rotweine. Die Parade-Rebsorte Lemberger spielt in der deutschen Spitze mit. Auch die Spätburgunder werden immer stärker und werden mit ihrer individuellen Note sicher neue Freunde finden.
Kontaktdaten
Weingut Graf Neipperg
Schlossstr. 12
74193 Schwaigern
Tel.: 07138/941400
Mail: info@graf-neipperg.de
Internet: www.graf-neipperg.de
Weingutportrait von Manfred Beismann, November 2023