Weingut Bosch, Kronau (Baden)
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„Wo sind denn hier die Reben?“, fragt sich der verdutzte Weinfreund beim Besuch des Weinguts Bosch in einem Kronauer Gewerbegebiet inmitten der flachen nordbadischen Rheinebene. Auch das vom Kraichgau-Tourismus beworbene „Land der 1000 Hügel“ ist nicht zu sehen. Betritt man den modernen Zweckbau des Weinguts, fühlt man sich sofort in eine andere Welt versetzt. Im modern gestylten Probierraum mit wohlig knisternden Bollerofen begrüßt Betriebsleiter Andreas Braunecker seine Gäste. Der stattliche Mittdreißiger strahlt diese urwüchsige Verschmitztheit und natürliche Heiterkeit aus, wie sie den Kraichgauern wohl angeboren ist. Vielleicht sind die Kraichgau-Boys ja alle Nachfahren des legendären Grafen Kuno, dem Urahn aller trinkfreudigen Weinliebhaber aus dem benachbarten Bruchsal. Wird man dann noch von seiner sympathischen Ehefrau Nadine mit Knabbereien versorgt, steht einer gemütlichen Verkostung nichts mehr im Wege.
Das Weingut Bosch ist aus einem Hobby-Betrieb entstanden, den der frühere Lehrer Rudolf Bosch, ein Onkel von Andreas Braunecker, gegründet hatte. Andreas Braunecker war schon als Kind in den Weinbergen unterwegs und entschied sich Winzer zu werden. Nach einer Winzerlehre bei den renommierten Pfälzer Weingütern Christmann und Lucashof absolvierte Andreas Braunecker ein Studium zum Diplom-Ingeneur für Weinbau an der „Kaderschmiede“ des deutschen Winzernachwuchses, der Hochschule Geisenheim. Dort traf er auch auf seine spätere Frau Nadine aus Obergrombach. Nadine ist Winzertochter, Weinkönigin, beim Weltklasseweingut Bürklin-Wolf ausgebildet und studierte in Geisenheim Internationale Weinwirtschaft. Bei so viel Sachverstand war es fast zwangsläufig, dass die Jungwinzer vor zehn Jahren aus dem Hobby-Weingut einen Haupterwerbsbetrieb machten.
„Im Kraichgau ist es leicht, seine Rebflächen zu erweitern“, erklärt Andreas Braunecker. Viele Nebenerwerbswinzer haben keine Nachfolger und geben ihre Flächen auf. Das Weingut Bosch ist auf zehn Hektar gewachsen, die auf den Gemarkungen Langenbrücken, Stettfeld, Zeutern und Obergrombach liegen. „Wir wollen aber derzeit nicht weiter expandieren“, erläutert Andreas Braunecker die Betriebsphilosophie. Andreas und Nadine Braunecker können nach zehn Jahren eine stolze Bilanz aufweisen: Das Weingut Bosch ist seit Jahren in Deutschlands wichtigsten Weinführern Eichelmann und Gaullt Millau mit guten Bewertungen vertreten. Der Betrieb ist Mitglied der 2015 gegründeten Weiße-Burgunder-Charta, in der 15 Spitzenweingüter des Kraichgaus und der Badischen Bergstraße zusammengeschlossen sind. In der Region ist das Weingut Bosch, das 80 Prozent seiner Weine an zufriedene Privatkunden absetzt, fest verankert. Andreas Braunecker versteht sich als Allrounder, der in vier Linien ein breites Rebsorten-Portfolio anbietet:
- Young Elements
Wein ist bei jungen und jung gebliebenen Leuten wieder voll im Trend. Für den unkomplizierten Einstieg in die Bosch-Weinwelt hat Andreas Braunecker die Weine „ice“ (Perlwein), „earth“ (Rosé) und „fire“ (Rotwein) im Programm. Die fruchtigen und süffigen Tropfen führen jede Sommer-Party zwangsläufig zum Erfolg. Exemplarisch ist der aktuelle Rosé zu empfehlen. Ein zu 100 Prozent aus Spätburgunder-Trauben gekelterter Gute-Laune-Wein mit sattem Erdbeer-Touch. Dazu ein saftiges Steak und der Abend ist gelungen.
- Esprit
Die gehobenen Rebsorten-Weine finden sich in der Esprit-Linie. Im weißen Segment ist zunächst ein Müller-Thurgau von 40 Jahre alten Reben zu beachten. Der Sommerwein glänzt mit Noten nach Muskat und gelben Früchten. Im Kraichgau darf natürlich auch ein Auxerrois nicht fehlen. Die regionale Burgunder-Spezialität kommt druckvoll und straff daher. Favorit unter den Esprit-Weinen ist der 2015er Weißburgunder in hellem Goldgelb. In der Nase Noten nach Mandeln. Am Gaumen entfaltet sich ein dichter Burgunder mit eleganter Kalkstein-Mineralik. Ein fein strukturierter Burgunder, der guten Trinkfluss entwickelt. Im roten Bereich gilt dem 2014er Spätburgunder Esprit eine Kaufempfehlung. Der Pinot ist bereits gut zugänglich und überzeugt durch intensive Beerennoten und zarten Schmelz.
- Signatur
Bei der Signatur-Linie beginnt im Weingut Bosch die Oberklasse. Sie bietet anspruchsvolle Weine für Freunde individueller Tropfen:
o Der Grauburgunder Signatur fließt in sattem Goldgelb mit leichten Messing- und Kupfernoten ins Glas. In der Nase die typischen Mandel- und Nussaromen eines Grauburgunders. Am Gaumen schmeichelt der im Holz ausgebaute Pinot mit cremigem Schmelz. Der Sur-Lie-Ausbau führt zu einem vielschichtigen Aromen-Spektrum mit floralen Noten, süßem Honig, reifer Mirabelle und rotem Pfirsich. Wuchtige Kraft und eine dichte Struktur verleihen dem Grauburgunder den Charakter eines Festtagsweins.
o „So eine Scheurebe erntet man nicht jedes Jahr“, schwärmt Andreas Braunecker über sein gelungenes 2015er Experiment. In der Nase erkennt man die Scheurebe am intensiven Duft nach schwarzen Johannisbeeren. Die Johannisbeere ist am Gaumen mit exotischen Fruchtaromen vernetzt. Ananas, Maracuja, Pfirsich und Aprikose tanzen um die Wette. Die Komposition aus Kalkstein-Mineralität, gekonntem Holzeinsatz und Fruchtaromen ist perfekt ausbalanciert.
o Die rote Cuvée „Zweierlei“ besteht 2014 aus Cabernet Mitos, Merlot und Portugieser. Der Zweierlei verfügt über eine kräftige Tannin-Struktur. Die im Barrique ausgebaute Cuvée hat eine gute Dichte, leicht rauchige Noten und Aromen nach Brombeeren und Waldbeeren.
o Der 2014er Frühburgunder von Andreas Braunecker zeigt im Glas ein dunkles Rubinrot mit bräunlichen Rändern. In der Nase hat man etwas Tabak und Aromen nach Mokka. Im Mund deutliche Fruchtnoten nach Waldbeeren und Kakao. Ein elegantes, durchaus kräftiges Tannin-Gerüst durch den Barrique-Ausbau prägen den überzeugenden Pinot. Der Burgunder verschwindet mit einem wohligen Abgang.
- Charisma und weitere Highlights
In der Charisma-Linie zeigt Andreas Braunecker die Spitzenweine des Weinguts. Aktuell bietet er einen Riesling und einen Spätburgunder an. In dieser Premiumklasse ist auch der im Weingut Bosch ausgebaute, geheimnisumwitterte Spätburgunder Elysium anzusiedeln.
o Eine im Kraichgau seltene geologische Besonderheit ist der Posidonienschiefer in Langenbrücken. Dort wächst der Spitzenriesling „Lias Epsilon“ des Weinguts Bosch. Der aus dem Ausnahmejahrgang 2015 gekelterte junge Riesling braucht etwas Luft, um seine volle Pracht zu entfalten. Helles Goldgelb blitzt aus dem Glas. Düfte nach Weinbergpfirsich und Limette verheißen prallen Trinkgenuss. Im Mund fast cremige Stoffigkeit, wohlproportionierte Substanz und barocke Kraft. Der Power-Riesling ist aber mit einem erfrischenden Säurestrang und strukturgebender Mineralität unterlegt, die den voluminösen Früchtekorb abfedern. Exotische Aromen-Fülle nach reifer Maracuja, ein wenig Litschi und heller Melone kleiden den Mundraum aus wie eine mächtige Klangwolke einen Konzertsaal. Es gibt wenige Rieslinge im Kraichgau, die diese vielschichtige Komplexität ausstrahlen.
o Den auf Löss, Kalkmergel und Posidonienschiefer gewachsenen Spätburgunder Terra Sigma aus 2014 hat Andreas Braunecker 18 Monate im Barrique reifen lassen. Unfiltriert abgefüllt überzeugt der in dunklem Rubinrot strahlende Pinot. In der Nase rauchige und kräftige Noten. Im Mund eine komplexe Komposition aus dunklen Beeren, Zartbitterschokolade und dezenter Mineraltät. Ein harmonischer Burgunder, der engmaschig gewobene Dichte, belebende Würze und kühle Eleganz vereint.
o In den Weinführern erzielt beim Weingut Bosch häufig der Spätburgunder „Elysium“ der Edition HP Spitzenbewertungen. HP ist ein pensionierter Kriminalbeamter aus Obergrombach, der jeden seiner 323 Rebstöcke persönlich kennt. HP erntet im Obergrombacher Michaelsberg jährlich Spätburgunder für ein Barrique-Fass „Elysium“, der dann von Andreas Braunecker ausgebaut wird. Der 2012er funkelt in leuchtendem Rubinrot. In der Nase entfaltet sich ein breites Aromen-Spektrum nach mildem Rauch, edlen Gewürzen und frischen Kastanien. Am Gaumen intensive rote Beerenfrüchte, Fleisch, Schlehen, Wacholder und Schokolade. Gut eingebundene Tannine verbinden sich mit einer animierenden Säure zu einem harmonischen Pinot. Ein langer Nachhall vollendet das beeindruckende Geschmackserlebnis.
Das Weingut Bosch ist im Kraichgau eines der weiter aufstrebenden Weingüter. Die Weine von Andreas Braunecker haben in den letzten zehn Jahren ein durchgängig hohes Niveau erreicht. Davon zeugt der sehr gelungene Jahrgang 2015, sicher einer der besten Weißwein-Jahrgänge des noch jungen Weinguts. Die gute Qualität der Rotweine im schwierigen Jahrgang 2014 lässt für das kommende Jahr einiges erwarten. Verlassen sie also die nahe Autobahn A 5 in Kronau und biegen sie vor Erreichen der Kraichgau-Hügel zum Weingut Bosch ab. So können sie schon in der Rheinebene einen Kraichgauer Wein-Gipfel erklimmen.
Kontaktdaten
Weingut Bosch
An der Oberen Lußhardt 1/1
76709 Kronau
Tel.: 07253/9324024
Mail: info@weingut-bosch-kronau.de
Internet: www.weingut-bosch-kronau.de
Weingutportrait von Manfred Beismann, Februar 2017