Elysium-Vertikale bei HP Pott (Juli 2018)
Schon in der griechischen Mythologie schafften es nur wenige unsterbliche Helden ins Elysium. Das Elysium war das Paradies, in dem diese Auserwählten nach langen Entbehrungen einen Nektar-ähnlichen Trank genießen durften.
Auch die Mitglieder des Weinvereins mussten lange auf einen Abend in der Oase des Glücks am Obergrombacher Michaelsberg warten. Hans-Peter Pott (kurz: HP), der rührige Zeremonienmeister des Kraichgauer Rotwein-Wunders, hatte zur
Verkostung einer Elysium-Vertikale geladen.
Der ambitionierter Mikrowinzer HP gewinnt seit dem Jahrgang 2010 aus 323 hoch über der Rheinebene und dem Grombachtal stehenden Rebstöcken einen exklusiven Spätburgunder, den Elysium. Weil der pensionierte Kriminalbeamte jeden seiner Rebstöcke beim Namen kennt, entsteht jedes Jahr ein außergewöhnlich guter Pinot. Der Ausbau im Barrique durch das renommierte Weingut Bosch bürgt zusätzlich für Qualität. So ist es kein Wunder, dass der Elysium Jahrgang für Jahrgang Spitzenbewertungen in allen einschlägigen Weinführern einheimst.
Im Schatten des himmlischen Anwesens begrüßt HP die Seligen zunächst mit einem süffigen Secco vom Weingut Bosch. Bei über 30 Grad und Blick über das Grombachtal werden bis zur abendlichen Abkühlung noch Rosé und Riesling gereicht. Gestärkt durch ein zünftiges Mahl steigen die Helden zur blauen Stunde in die Elysium-Vertikale der Jahrgänge 2013 bis 2016 ein. Vertikal-Proben, also die Verkostung des gleichen Weins aus verschiedenen Jahrgängen, sind in vielerlei Hinsicht interessant. Sie offenbaren im Direktvergleich nicht nur die Besonderheiten der einzelnen Jahrgänge. Sie zeigen auch die Entwicklungsstufen und das Alterungspotenzial der verkosteten Weine auf.
-Elysium 2013 (89 Punkte)
Im Jahrgang 2013 herrschten in Deutschland keine optimalen Witterungsbedingungen. Die Weine hatten nach der Abfüllung häufig eine spitze Säure. Im Laufe der Jahre hat sich diese Säure aber wunderbar integriert und gibt den Weinen eine frische Struktur. Der 2013er Elysium zeigt in der Nase rauchige, leicht grüne Noten. Am Gaumen feine Säure-Struktur mit stabilem Tannin-Gerüst. Die finessenreiche Leichtigkeit sorgt für einen lebendigen Genuss. Leicht rauchige Noten und Aromen nach Waldbeeren, Schokolade und Eiskonfekt münden in einer wunderbaren Eleganz. Der Spätburgunder verfügt nach fünf Jahren noch über eine erstaunliche Frische und hat weiteres Entwicklungspotenzial.
-Elysium 2014 (88 Punkte)
In Baden war 2014 der bisher schwächste Jahrgang in diesem Jahrzehnt. Der 2014er Elysium hat eine eher kräutrige Nase. Auch im Mund dominieren vegetabile Noten und etwas grüner Paprika. In der weiteren Entwicklung treten dunkle Schokolade und Anklänge von Teer hinzu. Etwas schlanker als im Vorjahr hat der Elysium aus 2014 gleichwohl Qualität. Für Freunde herber Pinots ist der 2014er Elysium ein sehr schöner Speisenbegleiter.
-Elysium 2015 (90 Punkte)
Nicht nur bei HP war 2015 ein Top-Jahrgang. Gerade im Kraichgau entstanden zahlreiche Spitzenrotweine. Der 2015er Elysium funkelt in leuchtendem Rubinrot. In der Nase deutet sich bereits eine außergewöhnliche Aromen-Vielfalt an. Am Gaumen besticht der Elysium aus 2015 durch eine wunderbare Harmonie. Komplexe und dichte Noten nach roten Beeren, süßem Krokant
und mildem Rauch fügen sich zu einem opulenten Pinot. Die Tannine sind wunderbar eingebunden. Die sanfte Säure sorgt bei aller Power für die nötige Frische. Der bisher perfekteste Elysium verabschiedet sich in einem langen Abgang.
-Elysium 2016 (89 Punkte)
Dem 2015er dicht auf den Fersen überrascht der Elysium aus 2016 mit beeindruckender Klasse. Dies ist bei diesem Jahrgang keine Selbstverständlichkeit. Rote Beeren-Aromen in der Nase stimmen den Genießer auf einen großen Pinot ein. Am Gaumen wieder reife Waldbeeren und dunkle Schokolade. Der Spätburgunder kommt sehr dicht und stoffig daher. Der Holzeinsatz ist im Gegensatz zu 2015 noch spürbar, dürfte sich aber in der weiteren Entwicklung vollständig integrieren. Der 2016er hat noch Entwicklungspotenzial.
Die Elysium-Vertikale war für die dämmrigen Helden ein besonderes Weinerlebnis. Favorit war der 2015erin seiner harmonischen Perfektion. Stilistisch am Nächsten kommt ihm der 2016er, der erst in zwei bis drei Jahren seinen Höhepunkt erreichen dürfte. Wer frische Säure im Rotwein bevorzugt, ist mit dem 2013er bestens bedient. Auch der 2014er Elysium macht zu einem schönen Steak sicher eine gute Figur.
HP hat sich mit seinem Elysium in der Spitzengruppe der Pinot-Winzer im Kraichgau fest etabliert. Man spürt die Hingabe und Begeisterung, mit der der Quereinsteiger den etablierten Profis Paroli bietet. Der Weinbau ist ein erfüllendes Hobby für den jung gebliebenen Ruheständler.
Mit vielfältigen optischen und sensorischen Eindrücken verlassen die trunkenen Helden nach dem Göttertrank den paradiesischen Michaelsberg. Sie steigen vom Elysium hinab in die Untergrombacher Unterwelt. Die irdische Stadtbahn bringt die Weinfreunde wieder zurück nach Kraichtal. In Kraichtal angekommen träumen sie davon, dass der nächste Besuch im Elysium
nicht so lange auf sich warten lässt.
Degustationsbeschreibung von Manfred Beismann, Juli 2018